Markus Raetz von Iwan P. Schumacher
Der Film ist eine wahre Überraschungsattacke auf die Sehorgane! Iwan Schumacher präsentiert einen Einblick in das über vierzigjährige Schaffen des Berner Künstlers Markus Raetz. Ein einfühlsames Porträt - poetisch und tiefsinnig zugleich.
Ein einfaches Wandregal, eine weisse Wand, drei stehende Ästchen. Oder mehr? Ja, ein Frauentorso. Die Idee muss man haben. Das denkt man sich im Verlauf des Films immer wieder. Markus Raetz stellt unsere Sehgewohnheiten auf den Kopf. Und: Er ist ein Tüftler. Mit Lust und Akribie arrangiert Raetz seine Visionen. Was magisch anmutet, ist penibel durchdacht. Ein Draht, zwei Gesichter, Dialog.
Viele Werke von Markus Raetz sind beweglich wie Mobiles. Sie verändern sich durch Bewegung oder durch die Veränderung der Sichtweise: Regelrechte Überraschungsattacken fürs Auge! Doch dieser Dokumentarfilm zeigt mehr. Als roter Faden dient die Entstehung eines Werkes ohne Namen. Vorbild dazu: eine Fotografie aus surrealistischer Werkstatt.
Ideen sammelt der Künstler überall. Viele brauchen aber manchmal Jahre, bis sie zum Objekt werden. Seine Art der Bildsprache ist bestens geeignet für die Kamera. Das steht dem Film gut. Wie die Intervieweinschübe von seinem Freund und Kurator Ad Petersen und seiner Frau Monika: «Bei ihm ist das sehr tief drin, das Denken. Etwas könnte genauso gut anders sein. Das ist das Hauptthema seiner Arbeit. Bei allem hinterfragt er: Ist das wirklich die einzige Art, eine Sache zu sehen?» Diese Quintessenz hat auch der Regisseur verstanden und umgesetzt, wenn auch mit ein paar (zu) langen Einstellungen. 75 Minuten: von den Anfängen von Raetz’ Schaffen bis zur Gegenwart – ein ebenso poetisches wie tiefsinniges Porträt des Berner Künstlers, das auf jeglichen Kommentartext verzichtet.
Bettina Tuor SF1 KINO AKTUELL