QUOTENKILLER

Der Dokumentarfilmer Iwan Schumacher hat ein wunderbares Porträt über seinen Künslter-Freund Markus Raetz gedreht.

Die bildende Kunst ist kein Leitmedium und wird auch nie eines sein. Gründe dafür gibt es viele. Der wesentlichste: Ihre Öffentlichkeit finden Kunstwerke nach wie vor in Ausstellungen. Und die wollen bekanntlich besucht sein. Nur so lässt sich das, was ein Kunstwerk ausmacht, tatsächlich adäquat erleben. Verglichen mit dem Fernsehpublikum oder den Lesern einer Zeitung, sind die Besuchszahlen einer Ausstellung, selbst wenn sie sehr erfolgreich ist, lächerlich klein.

Natürlich kommt Kunst phasenweise in allen Medien vor. Aus der Nähe besehen, favorisierte der Medienhype des letzten Kunstsommers jedoch die Garnitur: das viele Geld, das in den Galerien und Kunstmessen zirkuliert, und die reichen Sammlerinnen und Sammler. Die Kunst und ihre Inhalte blieben ein Nebenthema. Der für viele naheliegende Schluss: Kunst ist ein Quotenkiller und medial kaum zu vermitteln.

Solange der Mainstream für die Profilierung eines Mediums massgebend ist, wird die Kunst tatsächlich immer hintanstehen müssen. Was die Möglichkeiten der medialen Vermittlung anbelangt, ist das Spektrum jedoch noch lange nicht ausgeschöpft. Ein gutes Beispiel: der Film von Peter Liechti, der Roman Signer endlich bei einem breiten Publikum berühmt gemacht hat. Oder, ganz aktuell, das wunderbare Porträt, das der Dokumentarfilmer Iwan Schumacher über seinen Freund Markus Raetz gedreht hat.

Raetz, Berner und 1941 geboren, ist einer der wenigen Schweizer Künstler seiner Generation, die sich international einen Namen gemacht und die Position bis heute gehalten haben. Seine Werke verblüffen wie die Kunststücke eines Zauberers und zeigen die Dinge von einer anderen, ungewohnten Seite. Vieles hat mit Bewegung zu tun: Seine Objekte verändern ihr Erscheinungsbild, wenn sie um ihre eigene Achse gedreht werden oder wenn die Betrachter um sie herumgehen. Auf diese Weise verwandelt sich ein Hase in einen Mann mit Hut, der Beuys gleicht; oder aus einem OUI wird ein NON. Mit ihrer zeitlichen Struktur sind Raetz’ Arbeiten prädestiniert für den Film. Dieser wiederum konserviert den subtilen Blick des Regisseurs. In unserem Fall ist die Konserve so gelungen, dass sie dem Gezeigten ganz spezielle Klänge entlockt, Poesie und Schönheit noch verstärkt. Kongenial nennt man das. Im Speziellen wie auch im Allgemeinen: Das Leitmedium Film eröffnet der Kunst neue Sphären.

Claudia Spinelli WELTWOCHE 35/07